Das kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen. Es gibt jedoch einige Anmerkungen, die ich dazu machen möchte.
Hunde nehmen uns so, wie wir sind, aber sie passen ihr Verhalten und ihre emotionale Zuwendung und auch ihren Umgang mit der „Außenwelt“ unserem Zustand an.
In einer „natürlichen“ Hundefamilie gäbe es ein Elternpaar und Welpen und/oder Junghunde, die die Gruppe komplettieren oder sie nach einiger Zeit verlassen, um eine eigene Familie zu gründen.
Wir wünschen uns als Hundehalter*innen meist, dass wir den Hunden die „Hunde-Eltern“ ersetzen könnten, damit sie in unserer Familie aufgehoben, entspannt und unbeschwert leben können.
Doch eine Familie bildet ein System, in dem alle Mitglieder miteinander verbunden sind und aufeinander reagieren. So kann es sein, dass ein Rüde für sein Frauchen zu einem Beschützer und Partner wird, jeden Baum markiert, unsouverän auf andere Rüden reagiert und zutiefst betrübt ist, wenn man ihn daran hindern möchte, diese „Rolle im System“ zu erfüllen, die seiner Meinung nach kein anderer füllen kann.
Die Hundehalterin ihrerseits fühlt sich eventuell inkompetent, bekommt sogar in der Hundeschule vermittelt, dass sie nicht souverän genug für ihren Hund sei.
Dabei verhält sich der Hund „so“ aus Liebe und Fürsorge für seinen Menschen.
In unserem Familiensystem lebt Wim mit drei Frauen zusammen. Ava, unsere Hündin, bellt in eine bestimmte Richtung, schnuppert an einem Grashalm, markiert an exponierten Stellen und erwartet, dass Wim mit Karacho in die Richtung rast, in die sie gebellt hat, schnuppert, wo sie schnupperte und drüber markiert, wo sie ihr Duftnote hinterlassen hat.
Das ist hündisch normal. Das machen Rüden so. Und Hündinnen erwarten das so von ihren männlichen Partnern. Viele Hunde sind da sehr konservativ.
Aber wir Menschen erwarten und wollen das nicht. Wir haben, zum Glück für Wim, verstanden, dass wir auch beobachten und beeinflussen müssen, was Ava tut, um sein Verhalten zu verstehen und zu verändern.
Wie könnten wir ihm sein Verhalten vorwerfen?
Wir können ihm keinen menschlichen Hunde-Papa anbieten, sondern nur immer wieder unter Beweis stellen, dass wir gut auf uns selber, und ihn gleich mit, aufpassen können und in unserem Alltag als Menschen in der Lage sind alle notwendigen Entscheidungen für uns vier zu treffen.
Und wenn Wim sich manchmal selber stresst, weil er meint im Freilauf an stark von Hunden frequentierten Orten ständig und überall markieren zu müssen, dann nehmen wir ihn zu uns heran oder leinen ihn an, so dass er sich wieder herunter fahren kann und versteht, dass er den anstrengenden Job als „einziger Rüde“ gar nicht machen muss.
Wir Menschen sind im Vergleich zu Hunden körperlich stark eingeschränkt. Wir sind langsam, unbeweglich, können schlecht riechen und hören. Daran gewöhnen sich Hunde bereits im Welpenalter und haben spätestens als Junghund verstanden, dass man sehr viel Spaß mit Menschen haben kann, wenn diese versuchen einen im Garten, oder noch besser auf einer großen Wiese, wieder einzufangen und man als Hund genau 30 cm bevor der Mensch an die Schleppleine gelangt, wieder losflitzt.
Das meinen Hunde gar nicht böse, aber es muss aus Hundesicht berauschend komisch sein, wie ungeschickt und hilflos wir Menschen manchmal sind.
Trotzdem lieben sie uns.
Wenn wir ziemlich viel ziemlich geschickt und überlegt gemacht haben, dann bekommen wir sicher auch liebevollen Respekt, für das was wir sind.
Wenn wir nicht ganz so geschickt gewesen sind, dann werden wir hoffentlich liebevoll toleriert, aber unsere Hunde erledigen selbst, was sie uns nicht zutrauen: Zum Beispiel uns und sich selbst gegen andere Hunde zu beschützen, das Auto martialisch laut zu verteidigen bei unautorisierter Annäherung von Passanten, Katzen und Eichhörnchen aus dem Garten zu vertreiben etc.
Und im schlechtesten Fall regulieren sie dann auch uns, weil sie den Eindruck haben, dass sie uns, aufgrund unseres Verhaltens, überlegen sind und uns erklären müssen, dass Futter und Kauartikel, das Sofa und die Lieblingsschuhe etc. ausschließlich ihnen zur Verfügung stehen müssten.
Auch das ist nicht böse gemeint, sondern entspricht dann wohl dem hündischen Weltbild.
Ihnen ist aber nicht egal, wie wir uns in für sie wichtigen Situationen verhalten. Wie wir Begegnungen meistern, mit Besuch umgehen, wie ruhig und souverän wir auch in stressigen Situationen bleiben, wie gut wir mit unserer menschlichen (Körper-) Schwäche umgehen und nicht zuletzt, wie sehr wir sie und uns selbst lieben.
Bluffen klappt meist nicht, weil sie an unserer Stimme, unserer Körperspannung, Haltung und Konzentration merken, wie es uns wirklich geht.
Hunde untereinander schreiben sich keine Briefe, sondern sind hoch begabte Wahrnehmungs-Künstler, die uns hierin gnadenlos überlegen sind, weil wir uns immer wieder auf unsere Worte und unseren Verstand und nicht auf die Intuition verlassen.
Und Hunde betrachten die Welt durch die Hundebrille. Und die ist sehr familientauglich und wenig gesellschaftsfähig: Die Familie ist alles, der Rest der Welt (außer einige wenige ausgewählte Hunde- und Menschen-Exemplare) ist im besten Falle egal im schlechtesten Falle störend.
Wenn wir es schaffen unsere Hunde als das anzunehmen was sie sind, so wie sie uns annehmen, und aufhören, an ihrem Verhalten zu kritteln, sondern uns damit beschäftigen unsere Stärken für unsere Hunde nachvollziehbar zu machen, dann wäre so manch ein Hund wohl entspannter und unbeschwerter.
Liebe- und respektvoll mit ihnen umzugehen inkludiert, dass wir sie als Ganzes wahrnehmen und dazu gehören eben auch das konservative Familienverständnis mancher Rüden, die herrliche Zickigkeit mancher Hündin, die Körperliche Überlegenheit unserer Hunde, die Abneigung vieler Hunde gegenüber allen Fremden, oder die innige Feindschaft zu allen Katzen dieser Welt, die einige Hunde zelebrieren.
Das macht Hunde glücklich und dann klappt es auch mit dem liebevollen Respekt!
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Karin Jansen
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